Anzeige

Anzeige

Anzeige

Reisebericht Nepal


Als ich meinen Kollegen und Freunden erzählte, ich würde nach Nepal fliegen, hatten die meist erst einmal Neapel im Kopf. Italien, ist ja nicht so weit. Als ich dann vom Wandern und den erwarteten Minus-Graden sprach, wurden die ersten stutzig und fragten nach. Wohin geht ‘s dieses Mal nochmal?



Nepal, die große Unbekannte in Südasien, Heimat des höchsten Berges der Welt, aber sonst? Die Chance, dem Mount Everest nahe zu sein, gefiel mir und so buchte ich eine Trekkingtour in das Everest-Gebiet im November.

Reiseführer, Daunenjacke und Funktionsunterwäsche waren besorgt, dann konnte die Reise nach Nepal losgehen. Über Istanbul flog ich nach Kathmandu, der Hauptstadt Nepals und mit 1 Mio. Einwohnern die größte Stadt im Land. Obwohl ich vorher noch nie in Asien war, habe ich mir die Großstadt genauso vorgestellt gehabt: voll, unübersichtlich und staubig. Autofahren macht hier wirklich keinen Spaß und wie mir später erzählt wird ist dies kein Wunder, kann man seinen Führerschein doch mit ein paar Rupien (nepalesische Währung) ohne Fahrstunden und sonstigen Verkehrskenntnissen erwerben. Motorradfahrer, die hier den Autos den Rang abgelaufen haben, müssen einen Helm tragen, Beifahrer sind jedoch von der Helmpflicht befreit. Ich möchte nicht wissen, wie viele tödliche Unfälle auf den Straßen Kathmandus geschehen…

Aber auch buddhistische und hinduistische Tempel findet man hier an jeder Ecke, von Stupas bis zu Göttern, die beispielsweise bei Zahnschmerzen helfen sollen wenn man einen Nagel in ein Holzstück schlägt. Der größte Stupa der Welt steht in Bodnath. Hierher kommen zahlreiche Gläubige, um ihren Glauben zu bestärken und Buddha nah zu sein. Leider sind einige religiöse Bauwerke und Häuser immer noch beschädigt durch das schwere Erdbeben, welches 2015 Tausende Todesopfer forderte.
Im Einkaufsviertel Thamel sollte man als alleinreisende Frau starke Nerven besitzen. Alle paar Meter wollen hier Schalverkäufer oder Klangschalenhersteller ihre Produkte zu einem natürlich unschlagbaren Preis verkaufen. So manches Schnäppchen ist hier im Vergleich zu europäischen Preisen dennoch zu ergattern.

Doch ich bin nicht nach Nepal geflogen, um mir eine Großstadt anzusehen, sondern um zu wandern, umgeben von den höchsten Bergen der Welt. In Nepal liegen alleine acht der 14 Achttausender, ein echtes Bergsteigerparadies also. Alle müssen jedoch erst einmal in der Everest-Region ankommen. Und das ist mit jeder Menge Abenteuer verbunden. Der kleine Flughafen in Lukla ist einer der gefährlichsten Flughäfen der Welt. Zahlreiche tödliche Unfälle sind hier bereits geschehen. Umso glücklicher war ich also, als ich zwischen Klippe und Felswand sicher landete und die Trekkingtour starten konnte. Der Flughafen in Lukla liegt etwa 2.800 Meter hoch. Mein bisher höchster Berg war die Zugspitze, nur unweit höher.


Also rein in das Abenteuer und auf die erste Tour bis nach Phakding. Eine gute Akklimatisation ist wichtig, damit sich der Körper an die veränderten Bedingungen, wie der dünnen Luft, gewöhnen kann. Zum Glück waren die ersten Etappen relativ leicht zu begehen und der langsame und stetige Aufstieg gut zu bewältigen. Viel trinken ist hier das oberste Gebot. Mindestens vier Liter am Tag, um das verdickte Blut in höheren Lagen zu verdünnen. Viele Touristen greifen zum umstrittenen Diamox, welches das Blut verdünnen soll, jedoch auch einige Nebenwirkungen mit sich ziehen kann. Bei akuter Höhenkrankheit ist es jedoch meist überlebenswichtig.

Belohnt wurde man nach der zweiten Etappe mit dem ersten Blick auf den berühmt berüchtigten Mount Everest, benannt nach dem Vermesser George Everest, oder auf Nepali Sagarmatha genannt. Im einzigen größeren Ort Namche Bazar, der sogar eine Disco und zahlreiche Souvenirgeschäfte bietet, legten wir den ersten Akklimatisationstag ein, an dem eine Wanderung ins nahegelegene Dorf Khumjung auf dem Plan stand. Hier gibt es sogar ein kleines Krankenhaus, das für die Dorfbewohner eine echte Verbesserung der Lebensumstände darstellt und die frühe Sterblichkeitsrate in diesem Gebiet etwas nach unten schraubt.

Namche Bazar liegt auf 3.440 Meter Höhe, also noch knapp 2.100 Meter bis zu meinem Ziel, dem Gipfel des Kala Pathar auf 5.545 Metern! Nun wurden die Anstiege steiler und die Etappen länger. In Tengboche kann man den Blick auf die höchsten Berge der Welt perfekt vom Kloster aus genießen. Handyempfang hat man übrigens selten auf der Tour. Im Vorfeld sollte man seine Freunden und die Familie also „vorwarnen“, dass man sich nicht melden kann. Ein paar Tage ohne die aktuellsten News, Nachrichten von Freunden und Fußballergebnisse sind auch mal schön…


Der nächste Akklimatisationstag folgte in Dingboche auf 4.410 Metern. Die ersten Krankheitserscheinungen und Kopfschmerzen machten sich breit, in dieser Höhe jedoch für „Flachländer“ wie mich vollkommen normal.

Nachts wurde es immer kälter. Die Toiletten froren ein und Trinkflaschen sollte man besser in seinen Schlafsack mitnehmen, wenn man morgens kein Eis lutschen möchte. Ein guter Schlafsack macht sich hier bezahlt, trotzdem schlief ich mit Mütze und Handschuhe eingekleidet, etwas ungewohnt. Im Gemeinschaftsraum wird abends geheizt, ungewöhnlicherweise mit Yakdung, aber solange es halbwegs warm ist…

Sobald der Ofen sich abkühlte, krochen die ersten in ihrem Schlafsack und freuten sich bereits auf warme Getränke am nächsten Morgen.

Am Akklimatisationstag wanderte ich auf den Hausberg Dingboche Ri, mit 5.080 Metern mein erster Füntausender! Oben merkte ich bereits die zunehmend dünne Luft und wurde dadurch immer langsamer. Die Sherpas, die uns begleiteten und diese Höhen natürlich gewohnt sind, waren bewundernswert. Wie Himalaya-Gämsen gehen sie auf die höchsten Berge und kommen scheinbar gar nicht ins Schwitzen.

Oben angekommen war der erste kleine Gipfelerfolg ein erstes Highlight auf dieser Tour. Durch herrliches Wetter und eine tolle Sicht auf Everest, Lhotse und Co. knipste meine Kamera im Dauertakt. Der Abstieg war dann deutlich entspannter und schneller, sodass wir gegen Mittag bereits wieder in unserer Lodge ankamen und den Gipfelerfolg trotz Müdigkeit etwas feiern konnten.
Nun ging es in die heiße Phase. Über Lobuche gingen wir bis auf 5.100 Meter nach Gorak Shep, hier stehen die letzten Hütten vor Everest Base-Camp und der Bergwand an der Grenze zu Tibet. Von hier aus geht es über Geröll in Richtung Everest Base-Camp, an dem man nach etwa 3 Stunden angelangt. Der letzte Anstieg ist noch einmal kräftezehrend, jedoch ist es ein tolles Gefühl, am Base-Camp zu stehen, auch wenn zu dieser Zeit keine Expeditionen vor Ort waren. Der Blick auf den Khumbu-Gletscher und den scheinbar so nahen Everest sind einmalig. Von hier aus starten nahezu alle Everest-Expeditionen, sodass in der „Gipfelzeit“ im April und Mai ein richtiges kleines Dorf entsteht.
Wieder angekommen in der Lodge, ging es schnell ins Bett. Schließlich war am nächsten Tag der Gipfeltag auf den Kala Pathar geplant,  4.30 Uhr aufstehen, 5 Uhr losgehen!


Hier zu schlafen macht aber einfach keinen Spaß und zum ersten Mal in meinem Leben musste ich eine Kopfschmerztablette einnehmen, mit halb gefrorenem Wasser natürlich. Umso glücklicher war ich, als es endlich losging und wir mit Stirnlampen bewaffnet und in eisiger und sternenklarer Nacht die ersten Höhenmeter bewältigen. Der Sonnenaufgang in den Bergen ist unvorstellbar. Jetzt weiß man, warum man so früh aufgestanden ist und nicht im kuscheligen Schlafsack geblieben ist. Mit zunehmender Höhe wurde auch die Luft immer dünner. Häufige Pausen waren die Folge und der warme Tee in den Thermoskannen schmeckte dann in der Eiseskälte umso besser. Der Berg wollte und wollte nicht aufhören und als man den Gipfel mit seinen Gebetsfahnen endlich sah, wusste man, es wird noch ein harter Weg bis dahin. Die letzten 100 Höhenmeter bis nach oben waren für mich wirklich grausam. Alle 5m musste ich stehenbleiben und tief ein- und wieder ausatmen. So extrem hatte ich es mir nicht vorgestellt, bin ich doch recht trainiert.

Am Gipfel überkam mich dann neben der Atemnot ein einzigartiges Glücksgefühl. „Ich habe es geschafft“, dachte ich und genoss für einige Augenblicke einfach nur die tolle Aussicht. Trotz eisiger Kälte und der Tatsache, dass ich meine Zehen kaum mehr spürte, war es eine gute Entscheidung gewesen, den Berg bewältigen zu wollen. Ich schoss einige Fotos und posierte mit einem extra mitgenommenem BVB-Schal vor dem Everest. So schnell werde ich schließlich bestimmt nicht mehr hierhin kommen.


Als die Morgensonne endlich herauskam, wurde es gleich viel wärmer und ich vergaß sofort die Strapazen, die der Gipfel von mir gefordert hatte. „Dieser Moment ist nur für dich alleine“, dachte ich mir und versuchte, die Bilder in meinem Gedächtnis zu speichern.

Beim Abstieg merkte man, wie sich mit jedem Höhenmeter, den ich hinunterging, die Lungen wieder mit mehr und mehr Sauerstoff füllten. Gut, dass es morgens noch dunkel war, denn als ich hinunterging, merkte ich erst einmal wie steil die Anstiege teilweise waren.

Um 10 Uhr kamen wir wieder in unserer Lodge an und wurden von den anderen Teilnehmern der Trekkingtour, die aus gesundheitlichen Gründen den Gipfelsturm nicht mitmachen konnten empfangen. Viel Zeit blieb jedoch nicht, da wir am selben Tag noch einen weiten Abstieg bis auf 3.900 Meter (Pangboche) vor uns hatten.

Der Abstieg kann ja nicht so anstrengend sein, könnte man meinen, jedoch heißt „Abstieg“ in Nepal nicht nur bergab, sondern stets ein Auf und Ab, mit mehreren Steigungen und starken Abstiegen. Nach insgesamt neun Stunden Wanderung an diesem Tag kamen wir schließlich erschöpft in Pangboche an und freuten uns auf unsere Schlafsäcke. Der Husten und Schnupfen, der mit der Reise quasi mitgebucht wird, machte allen Gruppenteilnehmern zu schaffen. Aber auch den Ingwertee, der bei jedem Mittag- und Abendessen serviert wurde, konnte man nach einigen Tagen nicht mehr sehen…

Auf dem Weg in wieder erträgliche Höhen, kommt man auch der Zivilisation wieder etwas näher. Gab es in den höheren Lagen wenn überhaupt Plumpsklos, wurde es unter 3.500 Meter etwas „luxuriöser“. Aber auch hier gibt es keine richtigen Duschen. Also 13 Tage lang keine richtige Körperpflege, auch eine Erfahrung wert…

Nach 12 Tagen Trekking und diversen Lodgeübernachtungen kamen wir endlich wieder in Lukla an und konnten in einer Lodge direkt neben dem Flugplatz einen entspannten Abschied aus dem Everest-Gebiet feiern. Am nächsten Tag sollte unser Flieger zurück nach Kathmandu bereits um 6.45 Uhr morgens gehen. Allerdings flogen einen Tag zuvor gar keine Flugzeuge von Lukla aus, da hier oft das Wetter einen Strich durch die Rechnung macht und dann hunderte Trekker in Lukla stranden. Die einzige Möglichkeit besteht manchmal mit einem Helikopter nach Kathmandu zu fliegen, allerdings zu hohen Kosten.

Wir hatten Glück und konnten gegen 7.30 Uhr in unseren Flieger steigen. Der Start ist wirklich abenteuerlich. Das Flugzeug steuerte mit Vollgas auf die Klippe am Ende der Landebahn zu. Einmal kurz hochgezogen und wir waren in der Luft. Zum Glück! Ein letzter Blick aus dem Flugzeugfenster auf die schönsten Berge dieser Erde und schon waren wir angekommen in der Zivilisation.
Denkste. Wegen Nebels wurde der Flughafen in Kathmandu gesperrt, sodass wir im Flugzeug erfuhren, dass wir eine ungeplante Zwischenlandung in Pokhara haben werden. Gut, ein bisschen der Annapurna-Region aus dem Flugzeug zu sehen hat auch etwas. Nach einer Stunde Aufenthalt konnten wir aber wir geplant nach Kathmandu fliegen. Willkommen, die staubige Stadt hat mich wieder!

Zunächst ging es aber ins Hotel und für alle Gruppenteilnehmer vermutlich erst einmal unter die Dusche. Wie wohltuend eine Dusche nach so langer Zeit sein kann! Vielen Menschen, die in guten Verhältnissen leben, kann ich empfehlen, einmal solche eine Tour mitzumachen. Eine warme Dusche, Trinkwasser oder gar Handyempfang sind hier überhaupt nicht selbstverständlich. Wie Menschen hier dauerhaft leben können, ist für mich zumindest nicht vorstellbar. Eine Erfahrung ist die Reise aber auf jeden Fall wert.


Mit dem Gipfelerfolg in der Tasche konnte ich meinen Freunden und Bekannten dann zuhause die Geschichten dieser Trekkingtour erzählen. Meine 91-jährige Oma bat mich nur, solch einen Urlaub erst einmal nicht wieder zu machen, zu viel Sorgen hat sie sich während der zweieinhalb Wochen gemacht.

Man kann ja auch am Strand in Holland einen tollen Urlaub verbringen. Aber die Zeit in Nepal und die vielen Eindrücke werde ich nie vergessen, genauso wie die tollen Menschen, die diese Reise zu etwas ganz Besonderem gemacht haben.







Keine Kommentare:

Kommentar veröffentlichen